Industrie 5.0: Perspektive der Politik vs. Perspektive der Industrie - Eine Fallstudie

Industrie 5.0: Perspektive der Politik vs. Perspektive der Industrie - Eine Fallstudie

Thema:

Diese Arbeit untersucht die Perspektive der Industrie zu dem von der Europäischen Kommission 2020 vorgestellten Konzept Industrie 5.0. Bei Industrie 5.0 liegt der Fokus auf Menschenzentrierung, Resilienz und Nachhaltigkeit. Durch neue Geschäftsmodelle sollen Unternehmen einen ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert schaffen und gleichzeitig die Effizienz durch Innovation vorantreiben, sodass die europäische Industrie wettbewerbsfähig bleibt. Inwiefern dies aus Sicht eines Schweizer Grossunternehmens realistisch ist und welche Probleme und Herausforderungen in der Praxis entstehen, wird in dieser Arbeit untersucht.

Relevanz:

Das Thema dieser Arbeit ist einerseits für Unternehmen relevant, da das Konzept Industrie 5.0 bei Unternehmen noch eher unbekannt ist und in dieser Arbeit genauer beleuchtet und den Unternehmen nähergebracht werden soll. Es hilft Unternehmen zu verstehen, was die Politik mit dem Konzept erreichen will und was sie von Unternehmen erwartet, aber auch, was tatsächliche Herausforderungen dabei sind. Andererseits erhält die Politik durch diese Arbeit ein Feedback seitens der Industrie und wird auf weitere, bisher nicht beachtete Aspekte und Herausforderungen bei dem Konzept Industrie 5.0 hingewiesen, die für den Erfolg unerlässlich sind.

Ergebnisse:

Aus den Ergebnissen dieser Arbeit geht hervor, dass die Ideen und Konzepte hinter Industrie 5.0 nichts Neues für die Unternehmen darstellen und daher Industrie 5.0 als industrielle Revolution eher überflüssig ist. Stattdessen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Handlungsbedarf, der bei Industrie 5.0 hervorgeht, eher auf Seiten der Politik und Gesellschaft als auf Seiten der Unternehmen liegt. Ist es in diesem Fall dann überhaupt noch sinnvoll, von einer industriellen Revolution zu sprechen? Industrie 5.0 regt definitiv zum Nachdenken an und hilft dabei, die Schwierigkeiten und Herausforderungen in der heutigen Zeit zu verstehen und rückt die drei Akteure – Unternehmen, Politik und Gesellschaft – etwas mehr zusammen. Es wird deutlich, dass die Mitarbeit aller drei Akteure notwendig ist, damit die Idee hinter dem Konzept Industrie 5.0 umgesetzt werden kann.

Implikationen für Praktiker:innen:

Politik:

  • Enger Austausch mit der Industrie, um gemeinsam zu diskutieren, wie die Ziele erreicht werden können (z.B. durch eine gute Balance der Gesetzgebung und Richtlinien).
  • Subventionen und Bereitstellung einer guten Infrastruktur für Unternehmen sowie Einfuhrzölle und -beschränkungen, um Europa wieder attraktiv als Produktionsstandort zu machen.
  • Mutigere Richtlinien und Vorgaben für Unternehmen und Gesellschaft, um diese zum ökologischen Handeln zu bewegen und weniger Spielraum zu lassen.
  • Anpassung des Bildungssystems, um nachfolgende Arbeitskräfte bestmöglich auf neue Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten.

Gesellschaft:

  • Änderung des Mindsets ist erforderlich und nachhaltige Produkte müssen in der Kaufentscheidung bevorzugt werden.

Methodik:

Um das Thema zu bearbeiten, wurde ein qualitativer Forschungsansatz gewählt, da dies erlaubt, induktiv neue Einblicke und Sichtweisen zu erlangen und dabei möglichst viel Spielraum lässt. Im Rahmen einer Fallstudie zu dem Unternehmen Nestlé, bzw. einer Nestlé-Fabrik, wurden dazu semistrukturierte Interviews mit neun Nestlé-Experten aus verschiedenen Geschäftsbereichen geführt, welche alle Berührungspunkte mit dem Thema haben. Anschliessend wurden die Interviews mit MAXQDA ausgewertet. Dazu wurde eine Mischform des induktiven und deduktiven Ansatzes nach Kuckartz gewählt.