Megatrend Silver Society und Implikationen für die Mitarbeitendenbindung und den Wiedereinstieg von Pflegefachpersonen in Alters- und Pflegeheimen in der deutschsprachigen Schweiz

Zwei Personen gehen durch einen hellen Flur in einem Pflegeheim; vorne eine gemütliche Sitzecke mit Pflanzen und Bildern.
Was hält Pflegefachpersonen im Beruf? Ein Blick auf die Praxis zeigt: Es sind die Menschen – und die Bedingungen.. (Bildquelle: Kastanienpark, Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Thema
«Alters- und Pflegeheim ruft den Pflegenotstand aus» (Stulz, 2023). Damit solche Schlagzeilen von positiven Meldungen abgelöst werden, untersucht diese Masterthesis, welche Massnahmen zur Mitarbeitendenbindung und zum Wiedereinstieg von Pflegefachpersonen ab 45 Jahren in Deutschschweizer Alters- und Pflegeheimen beitragen können. Im Kontext der Silver Society – aktive, ältere Menschen, die jedoch in ihren letzten Lebensjahren häufig an mehreren schweren Krankheiten leiden – sollen praxisnahe Faktoren identifiziert werden, die helfen, erfahrene Pflegefachpersonen im Beruf zu halten oder den Wiedereinstieg nach einem Ausstieg zu fördern.

Relevanz
Die steigende Lebenserwartung führt dazu, dass am Lebensende immer mehr ältere Menschen an mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig leiden und dadurch pflegebedürftig werden. Der daraus resultierende Bedarf an qualifiziertem Pflegefachpersonal trifft auf einen starken Fachkräftemangel in Alters- und Pflegeheimen. Gleichzeitig sind viele Pflegefachpersonen überlastet und erwägen einen Berufswechsel. Bis 2030 werden in der Schweiz rund 65'000 zusätzliche Pflegefachkräfte benötigt (Merçay et al., 2016). Um diese Herausforderung zu bewältigen, müssen gezielte Massnahmen zur Mitarbeitendenbindung und Möglichkeiten für den Wiedereinstieg von erfahrenen Pflegepersonen entwickelt und umgesetzt werden.

Ergebnisse
Die Interviewergebnisse zeigen: Pflegefachpersonen bleiben ihrem Beruf treu, wenn sie sich wertgeschätzt und im Team wohlfühlen, emphatische Vorgesetzte haben, sinnstiftend arbeiten können und ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten dürfen. Wenn Mitarbeitende einen spontanen Arbeitseinsatz leisten, wünschen sie sich Anerkennung für diese Zusatzbelastung. Für einen erfolgreichen Wiedereinstieg braucht es praxistaugliche Ausbildungsmöglichkeiten, individuell angepasste Einführungsphasen und die Möglichkeit, sich schrittweise wieder in komplexe Pflegesituationen einzuarbeiten, auch mit einem niedrigen Teilzeitpensum zu Beginn. Als besonders hinderlich wurden starre Dienstpläne wie geteilte Dienste empfunden – Aspekte, die sowohl Bindung als auch Wiedereinstieg erschweren.

Implikationen für Praktiker:innen
Die ausgearbeiteten konkreten Massnahmen liefern Anhaltspunkte für eine praxisnahe Umsetzung der Forschungsergebnisse. Ihre detaillierte Ausgestaltung hängt vom institutionellen Umfeld der Zielgruppe und weiteren Faktoren ab. Aber auch kleine Veränderungen sind ein Schritt in die richtige Richtung.

  • HR-Verantwortliche: Ergänzung des Auswahlverfahrens für Führungskräfte um einen Persönlichkeitstest mit Fokus auf emotionale Intelligenz, unterstützt von einem Schnuppertag mit dem zukünftigen Team zur Beobachtung der sozialen Passung
  • VR/Geschäftsleitung: Drei zusätzliche bezahlte „Flex-Tage“ pro Jahr, die für Ferien, familiäre Verpflichtungen, Weiterbildung oder sonstige Abwesenheiten genutzt werden können, sowie einen bezahlten freien Tag am Geburtstag zur individuellen Wertschätzung und Entlastung.
  • Pflegedienstleitende: Erstellung eines individuellen Wiedereinstiegsplans und Freistellung einer erfahrenen Fachperson zur engen Begleitung während des ersten Monats, danach individuell nach Bedarf
  • Pflegedienstleitende: Einführung von festen Blockzeiten in Verbindung mit kontinuierlicher Reduktion der geteilten Dienste auf einem Wohnbereich mit Evaluation der Ergebnisse für die Umsetzung auf anderen Abteilungen
  • Bildungspolitische Entscheidungsträger:innen: Einreichen eines politischen Vorstosses, um auf Bundes- oder Kantonsebene die Entwicklung, finanzielle Förderung und institutionelle Verankerung flexibler Ausbildungsmodelle für Wiedereinsteigende im Pflegebereich zu prüfen und voranzutreiben.

Die vorgestellten Massnahmen sind erste Schritte auf dem Weg zu einer resilienteren und attraktiveren Langzeitpflege, die Umsetzung liegt in den Händen der Entscheidungsträger:innen, ganz nach dem Motto:

«Pflegen Sie Ihre Pflegefachpersonen – dann bleiben sie ihrem Lieblingsberuf mit Überzeugung treu»

Methoden
Basierend auf einer Literaturrecherche wurde ein semi-struktureller Interviewleitfaden für eine qualitative Forschung erstellt. Insgesamt wurden 18 Interviews mit Pflegefachpersonen aus elf Alters- oder Pflegeheimen durchgeführt. Die einzelnen Interviews wurden mittels Grounded Theory und induktiver Kategorienbildung untersucht, um übergreifende Themenbereiche und Massnahmen ableiten zu können. Zudem wurden die Aussagen in aktuelle wissenschaftliche Konzepte der Mitarbeitendenbindung und des Wiedereinstiegs eingebettet.