Second:as als Brückenbauende: Eine Analyse der verborgenen Kompetenzen im Alltag und Berufsleben

Second:as als Brückenbauende: Eine Analyse der verborgenen Kompetenzen im Alltag und Berufsleben

Thema
In einer zunehmend dynamischen und vernetzten Welt treffen vermehrt Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund aufeinander. Dennoch bleibt die Kultur weitgehend unsichtbar und wird im globalen wie auch lokalen Kontext oftmals übersehen. Betroffen sind unter anderem Second:as, die als postmigrantische Generation seit ihrer Kindheit im Wechselbad der Herkunftskultur und schweizerischen Kultur leben. Dadurch haben sie sich bikulturelle Kompetenzen angeeignet. Bislang fehlt jedoch in der Gesellschaft das Bewusstsein, diese Bikulturalität als eine gelebte Form von interkultureller Kompetenz zu erkennen.

Relevanz
Die Multikulturalität ist in der heutigen Gesellschaft ein Fakt, weshalb interkulturelle Kompetenzen zur Überwindung von kulturellen und sprachlichen Barrieren gefragt werden. Diversity und Inclusion Management ist ein wichtiges strategisches Thema, mit dem sich das moderne Employer Branding auseinandersetzen muss. Ein kulturell vielfältiges Umfeld in Unternehmen fördert Kreativität, Wissenskultur und Innovationsfähigkeit, um widerstandsfähig und nachhaltig zu sein. Die Migration und ihre nächste Generation bilden ein wesentliches Thema für die Zukunft. Demnach ist es wichtig, den Mehrwert von Second:as für Unternehmen und Gesellschaft aufzuzeigen. Damit wird ein besseres Verständnis über die bikulturelle Identität verschaffen.

Ergebnisse
In der Kindheit werden Second:as vor allem von der Herkunftskultur beeinflusst. Durch den Schuleintritt begegnen sie der schweizerischen Kultur und müssen sich mit widersprüchlichen Wertvorstellungen befassen. Demnach ist ihre Identitätssuche komplexer als diejenige von Monokulturellen, die nur eine Kultur in sich tragen. Nicht selten müssen sie sich ohne Vorbilder zurechtfinden. Während sie sich im Alltag gewohnt sind, kulturelle und sprachliche Vermittlungen für Familie, Freunde und Bekannte übernehmen, ist dies im Berufsalltag bisher nur teilweise der Fall. So finden ihre Herkunftssprache Anwendung, sofern diese auch eine schweizerische Landessprache, Englisch oder die Sprache des Gegenübers ist. Kulturelle Vermittlung entsteht infolge Interessensfragen von anderen oder eigenen Aufklärungen. Ist dies nicht der Fall, bleiben ihre Kompetenzen ungenutzt. Aufgrund bikultureller Erfahrungen haben Second:as mittels Strategien wie Anpassungsfähigkeit, Empathie und Ausdauer die Resilienz aufgebaut. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht. Das Potenzial von Second:as als Brückenbauende für Monokulturelle und als Mentor:in für andere Second:as lässt sich bestätigen.

Implikationen für Praktiker:innen
- Sensibilisierung über die Multikulturalität und Mehrsprachigkeit von klein an  über die Bildungs- und Berufslaufbahn

- Förderung von gegenseitigem Austausch, um neue Kulturen kennenzulernen, welche sich von der eigenen Kultur unterscheidet

- Erstellung eines Kompetenzportfolios, in dem die interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen aller Mitarbeitenden festgehalten werden

- Individuelle Förderung von Second:as und regelmässige Überprüfung über Einsatzmöglichkeiten als Brückenbauende

Methoden
Anhand der Literaturanalyse wurden im ersten Teil die theoretischen Gegebenheiten zu den Besonderheiten von Second:as ausgearbeitet. Im empirischen Teil wurden mittels des qualitativen Ansatzes problemzentrierte Interviews mit berufstätigen Second:as durchgeführt, die in der Schweiz geboren oder bis zum Vorschulalter in die Schweiz eingewandert sind. Dabei wurden die persönlichen Erfahrungen in Zusammenhang mit dem Aufwachsen mit mehr als einer Kultur sowie die bisherigen Einsatzmöglichkeiten als Brückenbauende erhoben. Die transkribierten Interviews wurden mittels kombinierten Technik induktiv und deduktiv nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die erarbeiten theoretischen Grundlagen und Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung wurden miteinander verknüpft und diskutiert, um die Forschungsfrage schliesslich zu beantworten.