Vulnerabilität in der Digitalisierung bei jungen Erwachsenen

Welche Faktoren erschweren den Zugang zur Teilhabe?
Thematik:
Angestossen durch ein Working Paper der Humanen Digitalen Transformation der BFH (Chiapparini et al., 2024) und dessen identifizierten Forschungsbedarf sowie den rasanten digitalen Wandel untersucht diese Masterarbeit die Vulnerabilität junger, bildungsbenachteiligter Erwachsener mit oder ohne Migrationshintergrund. Der Fokus liegt auf der Identifikation von Orten und Faktoren, an denen im privaten, schulischen oder beruflichen Kontext eine Vulnerabilität besteht oder potenziell entstehen kann. Nach einem integrativen Literaturreview wurden zur Datenerhebung Expert*inneninterviews durchgeführt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden anschliessend mit Fachpersonen aus der Pädagogik und Erziehungswissenschaft sowie der Informatik und Künstlichen Intelligenz reflektiert. Abschliessend konnte deduktiv ein Modell der Vulnerabilität für diese Zielgruppe abgeleitet werden.
Relevanz:
Die zunehmende Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche und setzt digitale Kompetenzen voraus. Gleichzeitig zeigen aktuelle Daten (BFS), dass ein erheblicher Teil der Schweizer Bevölkerung damit überfordert ist. Die Bildung wird in der Literatur als einer der wichtigsten Einflussfaktoren genannt.Diese digitale Vulnerabilität gefährdet die soziale Teilhabe, verstärkt bestehende Ungleichheiten und behindert den Zugang zu Bildung und Arbeit. Die Relevanz dieser Masterarbeit liegt darin, aufzuzeigen, wie vulnerable Gruppen gezielt unterstützt werden können, um gesellschaftliche Exklusion zu vermeiden und nachhaltige Chancengleichheit sicherzustellen.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse zeigen, dass junge Erwachsene digitale Kompetenzen vorwiegend im privaten Bereich und vor allem auf dem Mobiltelefon besitzen. Im Bildungs- und Arbeitskontext treten hingegen Defizite auf, die durch gezielte Schulungen behoben werden können. Diese Form der Verwundbarkeit wird im entwickelten Modell als „statische Vulnerabilität“ bezeichnet. Kritisch wird es insbesondere in Bezug auf zwei Kompetenzbereiche des DigComp 2.2 Frameworks (Vuorikari et al., 2022): Informationskompetenz und Sicherheitskompetenz erfordern eine kontinuierliche Kompetenzentwicklung, da sich die zugrunde liegenden Herausforderungen fortlaufend verändern – ein Umstand, der im entwickelten Modell als «dynamische Vulnerabilität» bezeichnet wird.
Implikationen für Praktiker:
- Personen ohne Einschränkungen (Belastungsfaktoren, sprachliche Hürden, kognitive Einschränkungen) sollten sich im Sinne des lebenslangen Lernens kontinuierlich weiterbilden, um einerseits über die notwendigen Kompetenzen in der digitalen Welt zu verfügen und sich andererseits wirksam schützen zu können.
- Die jungen Menschen sollten zudem ihren eigenen Social Media-Konsum reflektieren und sich bewusst fragen, ob eine Reduktion im Sinne einer besseren und zielgerichteteren Nutzung der eigenen Zeit sinnvoll wäre.
- Die Wirtschaft sollte ihre Mitarbeitenden gezielt schulen und ihnen adressatengerecht die digitalen Basiskompetenzen vermitteln, die für ihre jeweilige Tätigkeit sowie den beruflichen Alltag erforderlich sind.
- Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine frühzeitige Förderung digitaler Kompetenzen bereits in der Schule sicherstellen.
- Im Hinblick auf die Nutzung sozialer Medien ist die Politik zudem in der Verantwortung, zeitnah Massnahmen zur Sensibilisierung zu ergreifen und gegebenenfalls gesetzliche Regelungen für Technologieunternehmen zu schaffen – insbesondere zum Schutz von Minderjährigen.
Methoden:
Zunächst wurde ein integrativer Literaturreview durchgeführt, um die theoretischen Grundlagen sowie den aktuellen Forschungsstand zu erfassen und darauf aufbauend die Forschungslücke zu definieren. Anschliessend wurde ein explorativer, halbstrukturierter Forschungsansatz nach (Creswell, 2013)gewählt. Die qualitative Datenerhebung erfolgte in Anlehnung an (Helfferich, 2011; Misoch, 2019) und beinhaltete halbstrukturierte Interviews, um einen breiten Informationsgewinn zu ermöglichen. Insgesamt wurden zwölf Expert*inneninterviews durchgeführt; die Rekrutierung erfolgte mittels «purposive sampling». Die Auswertung erfolgte deduktiv im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse nach (Mayring, 2010).